Entwicklung einer Skala zur Messung von aktivem nachhaltigen Energieverhalten (ASEC)
Will man aktives nachhaltiges Energieverhalten und dessen zugrundeliegende Mechanismen analysieren, ist die Möglichkeit, dieses Verhalten möglichst akkurat und valide zu erfassen, eine der wichtigsten Herausforderungen. Nach unserer Definition besteht aktives nachhaltiges Energieverhalten, das sogenannte ASEC-Verhalten (active sustainability oriented energy consumption), aus verschiedenen Einzelaktivitäten, die auf einer ansteigenden Skala von geringen bis hohen Nachhaltigkeitsauswirkungen und geringem bis hohem Level an Aktivität auf Seiten der Konsument:innen angeordnet sind. Dazu gehören (1) die Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs im Haushalt (z. B. Heizung, Kühlung, Strom usw.), (2) der Einsatz intelligenter Technologien zur Überwachung und Steuerung des Energieverbrauchs, (3) die Verwendung erneuerbarer Energiequellen, (4) die Eigenproduktion von Energie und (5) die Teilnahme an Energiegemeinschaften.
Aufgrund seiner spezifischen Merkmale, nämlich der zunehmenden Schwierigkeit der Aktivitäten und ihrer Heterogenität, lässt sich ASEC-Verhalten am besten mit einem dichotomen Rasch-Modell beschreiben. In einem solchen Modell ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ein bestimmtes nachhaltiges Energieverhalten an den Tag legt oder nicht, eine Funktion ihrer Einstellung (d.h. Engagement für ein bestimmtes energiebezogenes Ziel) und der Kosten (d.h. Schwierigkeit), die mit einem bestimmten Verhalten verbunden sind. Je größer die Differenz zwischen Engagement und Kosten ist, desto wahrscheinlicher/unwahrscheinlicher ist es, dass ein bestimmtes Verhalten umgesetzt wird. Ein Rasch-Modell liefert Schätzungen für die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten auftritt, basierend auf den (durchschnittlichen) Merkmalen der Konsument:innen und der Schwierigkeit des jeweiligen Items, die dann einer weiteren Analyse unterzogen werden können, um z. B. relevante andere Prädiktoren für ASEC-Verhalten zu identifizieren. Ein solcher Ansatz ermöglicht es, Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Schwierigkeit verschiedener Verhaltensweisen in der Bevölkerung zu ziehen und somit zu bestimmen, welche ASEC-Verhaltensweisen für Interventionen priorisiert werden müssen, wodurch der rechtliche Entscheidungsprozess transparenter wird.
In einer Reihe von Studien haben wir eine Skala basierend auf 25 Items entwickelt, die jeweils ASEC-Verhaltensweisen auf den fünf oben genannten Aktivitätsebenen repräsentieren (siehe Tabelle für Beispiel-Items). Für jedes Item werden die Verbraucher:innen gebeten dessen Häufigkeit anzugeben. In zwei Studien zur Bestätigung einer Rasch-Modellstruktur (n = 459 und n = 734) erreichte die Skala eine ausreichende statistische Anpassung und Zuverlässigkeit. Kontaktieren Sie uns gerne für weitere Informationen zu dieser Skala.
Aktivität | Beispiel |
Energie sparen | Ich benutze den Öko-Modus für Haushaltsgeräte, wann immer es möglich ist. |
Konsumieren von "Grünen Strom" | Ich vergleiche verschiedene Stromanbieter, um zu sehen, ob sie Ökostrom anbieten. |
Energie selbst produzieren | Ich produziere selbst nachhaltigen Strom (z. B. mit Fotovoltaikanlagen auf dem Dach, auf dem Balkon, in der Garage oder im Garten). |
Verwendung von "intelligenten" Technologien | Ich nutze (Web-)Anwendungen meines Stromanbieters, um meinen Stromverbrauch zu regulieren. |
Teilnahme an Energiegemeinschaften | Ich bin Teil einer Energiegemeinschaft oder bin bereit, einer Energiegemeinschaft beizutreten. |
Förderung von nachhaltigem Energieverhalten
Die Energiewende und deren Notwendigkeit für die Eindämmung der Klimakrise ist mittlerweile in aller Munde. Die europäische Kommission hat dazu eine Reihe von Maßnahmen veröffentlicht, die die Energiewende und damit die dezentrale Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen vorantreiben sollen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Konsument:innen, die durch ihre aktive Beteiligung am Energiemarkt, die Verantwortung für die Energiewende übernehmen sollen. Durch das Inkrafttreten neuer Gesetze haben Verbraucher:innen mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, sich aktiv an Energiefragen zu beteiligen, nutzen diese vielfältigen Optionen aber aufgrund verschiedener Faktoren nicht oder nur unzureichend. Dies ist teilweise das Ergebnis psychologischer und sozialer Faktoren, die das Verhalten der Verbraucher:innen beeinflussen. Wie sich die Menschen in Bezug auf die rechtlichen Vorschriften tatsächlich verhalten, kann daher nicht allein durch einen normativen rechtswissenschaftlichen Ansatz ermittelt werden, sondern nur in Zusammenarbeit mit anderen (empirischen) Wissenschaften.
Unsere CLP-Forschungsgruppe versucht an der Schnittstelle zwischen Recht und Psychologie Fragen zu beantworten wie: Verhalten sich Verbraucher:innen tatsächlich so, wie es der Gesetzgeber erwartet? Welchen Einfluss haben gesetzliche Regelungen und andere außergesetzliche Faktoren auf ihr Verhalten? Wie können wirksame außerrechtliche Faktoren erfolgreich in die rechtliche Regelung des angestrebten Verhaltens integriert werden? Müssen verschiedene Personengruppen möglicherweise unterschiedlich angesprochen werden, um sie wirksam in Richtung gewünschter Verhaltensweisen zu lenken? Und allgemein, wie können Konsument:innen insgesamt besser in eine nachhaltige Energienutzung eingebunden werden?
Das Wissen über jene psychologischen und sozialen Faktoren, die das Energieverhalten von Verbraucher:innen positiv wie negativ beeinflussen, ermöglicht uns, gezielte Maßnahmen zur Förderung eines aktiven und nachhaltigen Energieverhaltens zu entwickeln. Gemäß den Richtlinien der EU fokussieren wir dabei nicht nur auf energiesparendes Verhalten, sondern fassen unseren Fokus weiter, indem wir neben dem allgemeinen Energiesparen auch die Förderung nachhaltiger Energie, die Verwendung smarter Technologie zur Überwachung und Steuerung des Energiekonsums, die Selbstproduktion (erneuerbarer) Energie und die Teilhabe an erneuerbaren Energiegemeinschaften mit einbeziehen. Um die neuartigen Aspekte dieses Verhaltens zu unterstreichen, haben wir dafür den Begriff "ASEC"-Verhalten (active sustainability oriented energy consumption) etabliert.
Zur Förderung von ASEC-Verhalten beziehen wir uns auf das Konzept der "Empowerments", das derzeit auch ein zentrales Thema in der europäischen Verbraucher:innenpolitik ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass die/der durchschnittliche Energieverbraucher:in Unterstützung benötigt, um das erwartete aktive und nachhaltige Energieverhalten zeigen zu können. Dazu gehören unter anderem klare, benutzerfreundliche und transparente Informationen über Preise und Bedingungen, aktuelle und häufige Rückmeldungen über den Energieverbrauch (z. B. über intelligente Zähler) und Informationen über die eigenen Rechte. Was kann man sich darunter konkret vorstellen? In einer Studie haben wir die Nutzung von Smart Metern untersucht. Smart Meter sind intelligente Stromzähler, deren Informationen genutzt werden kann, um den Stromverbrauch in 15-Minuten-Intervallen zu visualisieren und damit den Verbraucher:innen die Möglichkeit geben, ihren Stromverbrauch zu kontrollieren und zu steuern. Solche Zähler sind zwar in jedem Haushalt installiert, aber kaum jemand nimmt dieses Angebot wahr. Durch entsprechende Gesetze könnte man beispielsweise die Unternehmen dazu verpflichten, erfolgreicher auf die Vorteile der Nutzung von Smart Metern aufmerksam zu machen.